Mit 400 Millionen in der Tasche kauft er Immobilien für die Stadt

Mit 400 Millionen in der Tasche kauft er Immobilien für die Stadt

Die Linken fordern viel von ihm, die Rechten wollen ihn loswerden: Philipp von Babo sagt «Hey, ho, let’s go» – und kauft Liegenschaften mit unserem Steuergeld. Wer ist dieser Mann?

Von Babo ist ein Adelsgeschlecht. «Babo» ist aber auch Jugendsprache für Boss oder Anführer – und ein bisschen der «Babo» ist der 40-Jährige ja schon. 

400 Millionen Franken hat die Stadt Zürich für ihn im Budget 2023 zurückgestellt. Damit soll er kaufen, kaufen, kaufen. Grundstücke. Wohnungen. Häuser. 

Beim Treffen in seinem Büro am Hallwylplatz im Kreis 4 ist Philipp von Babo aufgeregt. Wenn er erklärt, wie er arbeitet, klingt es, als spiele er auf seinem Laptop die Zürich-Edition von Monopoly. Sein Spielfeld ist das Liegenschaftsinventar: eine Karte, auf der die gemeinnützigen Grundstücke Zürichs eingefärbt sind. Von Babos Mission ist es, die Karte noch bunter zu machen, das Territorium der Stadt auszuweiten.  

26,4 Prozent der Wohnungen waren im Jahr 2019 gemeinnützig. Jede dritte Wohnung soll es bis 2050 sein – zum sogenannten Drittelsziel hat die Stimmbevölkerung 2011 klar Ja gesagt. 

Seit eineinhalb Jahren ist von Babo bei der Stadt angestellt. Seine Stelle wurde von der linken Ratsseite beantragt und neu geschaffen. «Brutal spannend» sei sein Job, sagt er, erzählt dann von einem «Blick»-Artikel, den er am Morgen gelesen hat. Ein betagtes Ehepaar, seit 50 Jahren im Seefeld, erhielt die Kündigung. Klar hätten Mieter kein Anrecht darauf, ihr ganzes Leben in den gleichen vier Wänden zu wohnen, sagt von Babo. «Aber es muss doch für alle möglich sein, eine bezahlbare Wohnung zu finden.»

Das Treffen mit der Millionärin

Eine Woche später steigt Philipp von Babo, der jeden Tag von Luzern nach Zürich pendelt, in den 31er-Bus Richtung Witikon. Seit drei Uhr in der Nacht ist er wach, «wegen der zwei Kleinkinder, die den Pfnüsel haben». Gerade hat er mit einem Freund Zmittag gegessen und sich dabei das Hemd befleckt. «So bin ich halt», sagt er. Beim Zentrum Witikon steigt von Babo aus. Bei einem 60er-Jahre-Wohnhaus bleibt er stehen. Grüne Läden. Die Vögel pfeifen. Nichts Extravagantes. «Gut 30 Millionen», sagt er. So viel hat die Stadt Zürich im Februar für die zwei Mehrfamilienhäuser und ein Doppeleinfamilienhaus bezahlt. 

Es ist einer der Deals, die Philipp von Babo eingefädelt hat. Die Liegenschaften hat er auf Homegate entdeckt, analysiert und dann beim Bieterverfahren ein Angebot abgegeben. Die Stadt Zürich bekam den Zuschlag. 

Es sei natürlich ein stolzer Preis, sagt von Babo. Aber weil die Stadt und die städtische Stiftung PWG gleich angrenzend noch Häuser besässen, habe sich der Kauf gelohnt. Im Garten nimmt er das Smartphone hervor und multipliziert Quadratmeter. Knapp 40 gemeinnützige Wohnungen könnten hier entstehen, sagt er. Solange die Häuser noch gut instand seien, vermiete die Stadt Zürich die Wohnungen ohne grössere bauliche Veränderungen zur Kostenmiete. 

Er ruft private Eigentümer direkt an

Es ist natürlich nicht so, dass Philipp von Babo allein arbeitet. In seinem Akquise-Team, das er leitet, gibt es eine Mitarbeiterin. Der Stadtrat entscheidet über die Käufe. Und wenn schliesslich die Nutzung einer erworbenen Liegenschaft festgelegt wird, reden auch der Gemeinderat und die Stimmberechtigten mit.

Finanzvorsteher Daniel Leupi (Grüne), von Babos oberster Chef, sieht Zürich in seinem Büro von oben. Er dreht sich im Stuhl um und zeigt mit dem Finger durch das Fenster in Richtung Witikon. Weil es in diesem Stadtkreis nur wenig sozialen Wohnraum gebe, sei es für die Durchmischung besonders wichtig, dass die Stadt investiere. 

«Zürich ist verkauft», sagt er dann. Es gebe fast kein freies Bauland mehr. Zürich sei nicht Wien, wo man eine U-Bahn in die grüne Wiese bauen und rundherum Stadtwohnungen bauen könne, wenn die Bevölkerung wachse. «Deshalb müssen wir Grundstücke und Wohnungen dazukaufen», sagt Leupi. Die Zahlungsbereitschaft der Stadt sei gestiegen. Das Drittelsziel sei aber sehr ambitioniert. Vom neuen Akquise-Team dürfe man sich denn auch keine Wunder erwarten. «Philipp von Babo kann schon einige Erfolge vorweisen, aber er ist kein Zauberer.»


So wirkt der Immobilienfachmann auch nicht, wenn er am Laptop sitzt. In seinem Büro will er sich Wasser einschenken, streckt sich über den Tisch zum Krug, kriegt ihn nicht und sagt dann: «Ich bin nicht der Grösste.» 

Liegenschaften bekommt von Babo nicht nur von Immobilienmaklern angeboten oder findet sie auf Homegate, er telefoniert auch viel. «Ja, why not?», sagt von Babo. «Das machen die Investoren doch auch.» Sein Lachen entgleist. Dann wird er wieder ernst. Am Telefon sage er zu privaten Hauseigentümerinnen: «Ja loset Si. Wenn Sie überlegen, Ihr Haus jemals zu verkaufen, die Stadt Zürich hätte grosses Interesse.» Das bringe aber nur selten etwas. Am Schluss gehe es eigentlich immer auch ums Geld, sagt von Babo. 

Deshalb muss Zürich Marktpreise bezahlen. «Meine Mitarbeiterin und ich fischen im gleichen Teich wie die Pensionskassen, Versicherungen und die anderen Investoren auf dem Markt», sagt von Babo. Sie müssten sich stark fokussieren. «Wenn eine dicke Forelle im Teich schwimmt, lassen wir das Rotauge sein.»

«Ich bin ein Freak»

Für Häuser hat er sich schon immer interessiert. Der Grossvater, ein Dachdecker, nahm ihn mit zum «Schindele». Die Grossmutter, eine Architektin, schaute sich mit ihm zu Hause in Dielsdorf ein Buch mit den schönsten Häusern der Welt an. «Da will ich wohnen!»

Als Student zog Philipp von Babo in eine WG an der Zürcher Weststrasse, hörte zuerst 40-Tönner und später Vogelgezwitscher. Er wollte Brückenbauer werden, flog aber aus dem Bauingenieur-Studium und absolvierte dann ein VWL-Studium an der Universität Zürich. Seine erste Stelle in der Immobilienbranche war in einem Badener KMU. Sein Chef war «der beste Lehrmeister, den man sich vorstellen kann». Von Babo entzündet im Büro am Hallwylplatz sein Feuerzeug, hält es ans Fenster – ein Trick, um zu prüfen, ob es eine Doppel- oder eine Dreifachverglasung ist.

Nach einem Immobilien-Master reiste er neun Monate allein durch Asien und lebte dort einige Wochen gemeinsam mit einem indonesischen Dani-Stamm im Baliem-Tal auf Neuguinea. Fischen, pflanzen, ernten, singen. Er zeigt ein Foto, auf dem er die traditionelle Kopfbedeckung trägt. «Ich bin ein Freak», sagt von Babo. Er wolle alles ausprobieren und sich selbst herausfordern. 

Später ging er zurück nach Zürich zu einem internationalen Immobilienberatungsunternehmen. «Rein moralisch behagt mir das, was ich jetzt mache, viel besser», sagt von Babo.

Fechten in der Studentenverbindung

Bürgerliche Politikerinnen würden seine Stelle am liebsten wieder abschaffen. Es könne nicht die Aufgabe des Staates sein, Liegenschaften à gogo zu kaufen, sagt Albert Leiser (FDP). «Das ist eine schleichende Planwirtschaft.» Als Steuerzahler subventioniere er Menschen, die es gar nicht nötig hätten, in einer gemeinnützigen Wohnung zu leben. Ausserdem verzerre die Stadt den Markt. Susanne Brunner (SVP) möchte aus diesen Gründen das Drittelsziel wieder aus der Gemeindeordnung streichen. Und auch die GLP sprach im Rat von einer «Kannibalisierung des Immobilienmarkts». 

Viele angefragte Zürcher Immobilienfirmen und Pensionskassen wollen nichts zum neuen Akquise-Team von Philipp von Babo sagen. Der Vermarkter Properti schreibt, das die Gründung des Teams aus Sicht der Mieterinnen ein positives Signal sei, da bezahlbarer Wohnraum dringend benötigt werde. «Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass eine Intervention in die freie Marktwirtschaft unerwünschte wirtschaftliche Folgen hat und private Investoren abschreckt.» Auch Daniel Stocker vom Immobilienberater Jones Lang LaSalle ist skeptisch, ob Philipp von Babo und sein Team die hohen Erwartungen erfüllen können. «Zürich hat jetzt zwar ein Rennpferd, aber deswegen finden nicht mehr Pferderennen statt», sagt er. Eine starke Marktverzerrung befürchtet Stocker nicht. Grosse Anleger investierten ja nicht nur in der Stadt, sondern im Grossraum Zürich oder gar in der ganzen Schweiz. 

Der linke Entwickler Steff Fischer findet, dass Zürich gar nicht genug Liegenschaften erwerben könne. «Zürich muss inklusiv sein, sonst knallt es», sagt er und verweist auf die Pariser Banlieues. Philipp von Babo habe während des Studiums bei seiner Firma gearbeitet. Er habe ihm damals von den Fechtkämpfen erzählt, die er in der Studentenverbindung ohne wirklichen Schutz ausgetragen habe, sagt Fischer. Das habe ihn beeindruckt und er habe nachgefragt: «Und wenn mal einer ausschlipft?» Von Babo habe geantwortet: «Dann bin ich halt verletzt.» Er habe etwas Kämpferisches an sich. 

«Philipp von Babo nimmt seinen Job sehr ernst und bewegt etwas», sagt auch SP-Gemeinderat Florian Utz. Doch zumindest bis zum Jahr 2022 seien noch immer zu wenig Liegenschaften gekauft worden, um das Drittelsziel zu erreichen. «500 bis 700 Wohnungen müsste die Stadt jährlich erwerben.» Zürich sei davon in den letzten Jahren aber weit entfernt gewesen. Erfreulich sei hingegen die aktuelle Entwicklung in diesem Jahr. 

Auch er findet keine Wohnung

Wie viele Wohnungen Philipp von Babo seit seinem Amtsantritt insgesamt schon gekauft hat, ist schwer zu beziffern. Denn sein Team kauft ja nicht nur Häuser, sondern auch Grundstücke, auf denen in Zukunft etwas entsteht. Seit September 2021 erwarb seine Abteilung durch Kauf oder Tausch Immobilien für 340 Millionen Franken. In den Jahren zuvor waren die Ausgaben der Stadt für Akquisitionen jeweils unter 50 Millionen Franken pro Jahr.

«Politisch bin ich stark exponiert», sagt von Babo. Er wolle einfach sauber arbeiten und seinen Auftrag erfüllen. «Hey, ho, let’s go», sagt er, das sei von den Ramones. Bald wird ihn noch eine dritte Person unterstützen. Der Gemeinderat hat eine zusätzliche Stelle für 2023 bewilligt. 

Zum Schluss des Gesprächs schwärmt von Babo von den Chilis und Zucchini in seinem Luzerner Schrebergarten. «Am liebsten würde ich mit meiner Familie aber nach Zürich ziehen», sagt er. Das sei der Place-to-be. Er suche gerade eine 5-Zimmer-Wohnung. Bislang ohne Erfolg. 

Text im Tages-Anzeiger