Er ist der Held aller Rapper
Ozan Yildirim – genannt OZ – macht Beats für die grössten US-Stars. Wer ist der Mann, der vor kurzem noch im Fust Waschmaschinen verkaufte und jetzt Rolls-Royce fährt?
Wie unverschämt unbekannt dieser Mann im Vergleich zu seinem Erfolg ist, zeigt die folgende Szene: Ozan Yildirim will mit seinen Jungs in einem Zürcher Club feiern, steht an – und wird abgewiesen. «Das kommt öfter vor», erzählt er vor der Corona-Pandemie im Podcast «Escapism» von SRF-Moderator Julian Thorner, «eigentlich fast immer». Seine Freunde würden dann zum Türsteher sagen: «Weisst du, wer das ist? Ihr spielt seine Musik, und er darf nicht rein?»
Seine Musik – das ist etwa der Beat zu «Sicko Mode» von US-Rapper Travis Scott: 1,3 Milliarden Streams auf Spotify. Oder seine Melodie in «Toosie Slide» von Drake, dem derzeit wichtigsten Rapper.
Dieser schreibt Ozan Yildirim jeweils: «I need a club record. Something up-tempo», so hat er es dem Onlinemagazin «Complex» erzählt. Ozan Yildirim, der sich OZ nennt, geht dann in sein Studio, raucht Shisha und kreiert Beats. In Wald im Zürcher Oberland lebt der 29-Jährige mit seiner Frau und seiner Tochter. Er will nicht gross auffallen.
«Ein intelligentes Kerli»
Wer ist OZ? Und wieso wollen so viele Stars über seinen Beats rappen? Auf mehrere Interviewanfragen dieser Zeitung hat Ozan Yildirim nicht reagiert. Sein Weg lässt sich aber anhand von Medienberichten, Gesprächen mit Experten und Wegbegleitern sowie seinem Auftritt in den sozialen Medien nachzeichnen.
Der Produzent selbst macht für seinen Erfolg vor allem einen verantwortlich: «God is great», schreibt er regelmässig auf Twitter. Und: «I was born for this shit.» Ozan Yildirims Grossvater ist aus der Türkei in die Schweiz eingewandert. «Verdammt, mein Opa kam mit zwei Koffern her, und sein Enkel wird ein scheiss Millionär», so beschreibt es OZ auf Twitter.
In Wattwil im Toggenburg wächst er auf. Dann zieht er mit seinen Eltern ins Tösstal und besucht die Sekundarschule in Fischenthal. «Weil alle gegen Ausländer waren und ich einer der wenigen war, musste ich mich schon am ersten Schultag prügeln», sagt Yildirim dem Schweizer Hip-Hop-Magazin «Lyrics». Er hatte fast keine Freunde. Aber er hatte seine Beats.
Sandro Steck, sein damaliger Lehrer, sagt, die anderen Schüler und er hätten nie ganz verstanden, wie genau Ozan Yildirim seine Musik macht. Dieser habe stets begeistert davon erzählt. «Und er hat mir schon damals gesagt, dass er damit mal erfolgreich wird», sagt Steck. Seinen ehemaligen Schüler beschreibt er als «intelligentes Kerli mit einem schelmischen Lachen». Den Aufwand in der Schule habe Ozan Yildirim stets geschickt minimiert.
Alles andere als ein Minimalist war OZ hingegen in seinem Studio, besser gesagt in seinem Zimmer. Er mixte Songs seiner Lieblingsrapper – Eminem, Fifty Cent –, entdeckte dann die Software «Fruity Loops» und machte fortan eigene Melodien. Die Nachbarn reklamierten, weil es zu laut war. Die Eltern schlichteten.
Während seiner Lehre im Fust in Hinwil verkaufte Yildirim tagsüber Waschmaschinen und Mikrowellen, in der Nacht verfolgte er seinen Traum: vom kleinen Dorf im Zürcher Oberland in die internationalen Charts zu kommen.
Shisha mit Drake
Eine E-Mail-Adresse hat Ozan Yildirim schliesslich zum Durchbruch verholfen. Er bot einem amerikanischen Produzenten 250 Franken für den Kontakt des bekannten Rappers Meek Mill an. An die Adresse sendete er dann seine Beats – und erhielt sechs Wochen später einen Anruf vom Manager des Rappers, der ihn fragte: «Wie viel willst du dafür?» Als OZ «1000 Euro» sagte, lachte dieser und sagte: «Wir geben dir 3000.»
Stars wie DJ Khaled, Shindy und Bushido wollten fortan ebenfalls über Ozan Yildirims Beats rappen. Yildirim arbeitete zu dieser Zeit weiterhin im Fust und kündigte erst, als es mit den Ferien nicht mehr aufging.
Der Rap-Superstar Drake liess ihn immer wieder nach Los Angeles einfliegen. «Yo, feel at home», sagte ihm dieser in seinem Studio. Sie assen zusammen Burger, spielten Playstation und hörten sich Beats an. «Die Shishas waren grossartig», sagte Yildirim im Interview mit «Complex».
In den USA traf er auch schon Jay-Z und Beyoncé. Dem SRF erzählte OZ, wie er einst auf einer Bank vor dem Studio von Nicki Minaj sass und von einem Typen angesprochen wurde, der sich als Bruno vorstellte. Es war Bruno Mars, doch das begriff Ozan Yildirim erst später. «Früher dachte ich, diese Stars sind Fabelwesen», sagte Yildirim im Kulturpodcast «Escapism».
Ein häuslicher Typ
In Los Angeles grüsst OZ von einem riesigen Werbeplakat. Millionen Menschen feiern seine Beats. Und doch kehrt Ozan Yildirim immer wieder nach Wald ins Zürcher Oberland zurück: eine Landi, Panoramasicht von Säntis bis Pilatus, Silvesterchlausen während der Fasnacht. Er wolle beweisen, dass er seine Musik auch von hier aus machen könne, sagt Yildirim immer wieder. «Somewhere in Switzerland in a small city», so erzählt er es den US-Medien.
Für Schweizer Künstler arbeitet er hingegen fast nie. Mundart würde auf seinen Trap-Beats nicht gut klingen. OZ macht lieber Musik für seine Lieblingsrapper – und diese leben nun mal in den USA. Auch die hiesigen Music Awards belächelt er. «Da treten hauptsächlich Bauernmusiker auf, von denen ich noch nie im Leben was gehört habe», sagt Yildirim.
Moritz Wey, der OZ für das «Lyrics»-Magazin getroffen hat, beschreibt ihn als «Internet-Kid». Er habe es gar nicht nötig, sich einen Weg durch die Schweizer Musikszene zu bahnen. Der Produzent sei ein sehr angenehmer, häuslicher und ruhiger Typ. Er suche Anerkennung in der Szene, aber nicht das Rampenlicht. OZ ist eben Produzent. Und nicht Rapper.
Sein Gespür für die Banger
Die meiste Zeit arbeitet Ozan Yildirim zu Hause in seinem Studio, das liegt ihm. Er brauche nur ein Klavier, eine Maus, eine Shisha und einen Kohlenheizer, schreibt er auf Twitter. Noten lesen kann er nicht. Er lernte nie ein Instrument. Ob Akkorde harmonieren? «Darauf achte ich nicht», sagte Yildirim zu CH Media. «Wenn es geil klingt, dann mache ich es.»
Meistens scrollt OZ durch die Musik auf seinem Laptop, arrangiert sie um, legt Effekte drüber. Auch mit Samples eines von vor vierzig Jahren verstorbenen russischen Musikers, den er auf Youtube entdeckte, hat er schon gearbeitet. Doch was macht die Beats von OZ so erfolgreich? «Er tüpft den Vibe», sagt Al Hug, der auch Hip-Hop-Beats produziert. OZ erschaffe Melodien, die nicht nur den Rappern, sondern auch dem Publikum gut gefallen würden. «Seine Beats sind oft simpel, aber brutal effizient.»
Livio Carlin von SRF Virus sagt, was Ozan Yildirim ausmache, sei, dass er nicht den Zeitgeist kopiere. Er mache nicht nur jene Beats, die gerade angesagt seien, sondern gehe immer schon einen Schritt weiter. OZ könne einfangen, was später in den Clubs laufen werde. «Er hat einfach im Gespür, was ein Banger ist.»
Und was sagt Ozan Yildirim selbst? In Interviews erklärt er, dass er viele Genres beherrsche: Dancehall, Hip-Hop, R’n’B. Er versuche stets, die Rapper zu überraschen. «Man hat seinen Status im Game.»
Den Reichtum darstellen
Auf Instagram und Twitter dokumentiert Ozan Yildirim seinen Reichtum, den er sich mit harter Arbeit erkämpft hat, wie er sagt. Das scheint ihm wichtig. Im Sommer 2019 erzählte er im Podcast «Escapism» von seinen Traumautos. Es sei oft vorgekommen, dass er in der Garage kritisch beäugt worden sei, als er im Formular den Beruf «Musikproduzent» hingeschrieben habe. Als die Garagisten dann seine Steuererklärung gecheckt hätten, seien sie ganz lieb geworden.
Im vergangenen Mai deckte Ozan Yildirim in seiner Garage ein schwarzes Tuch auf und enthüllte einen Lamborghini auf Instagram. Im August holte er sich einen Rolls-Royce. Diesen Februar ist noch ein Mercedes-Jeep dazugekommen. Sein Erfolg lässt sich in Autos messen. Wird ein Song gestreamt, erhält er einen grossen Teil der Einnahmen. Fair, findet OZ. Denn wer hört sich schon gern einen Rap-Track ohne Beat an?
«Don’t judge my money», schreibt er auf Twitter. «Darf ein junger Mann kein Geld mehr verdienen?» Er sei im Studiokeller ohne Heizung eingeschlafen und im Studio von Kanye West in Los Angeles aufgewacht. Früher hatte er zu wenig Geld für eine Playstation. Heute hat er so viele Spiele, dass einige davon noch in einer dünnen Plastikfolie warten. «Ich kriege Hühnerhaut, wenn ich denke, was mir Gott über die letzten Jahre gegeben hat», schreibt Ozan Yildirim auf Twitter.
Wenn wieder mal ein Rapper einen seiner Beats auswählt, feiert er das mit seiner Frau und seiner Tochter in Wald. Oder er trifft sich mit seinen Freunden. Sie spielen Shooter-Games und rauchen Shisha, ersetzen dafür auch mal das Wasser durch Espresso, damit sich der Rauch anders anfühlt. Und manchmal gehen sie auch in einen Club, wo Ozan Yildirim sehen kann, wie das Publikum seine Beats feiert. Wenn sie denn reinkommen.