Ein Provokateur pflanzt einen Wald
Um etwas fürs Klima zu tun, hat Max Homberger auf seinem Grundstück in Wetzikon 936 Bäume gepflanzt. Ob er das darf, hat er niemanden gefragt.
Als grüner Kantonsrat hat er den Ausbau der Autobahnen mit dem Raketenbau-Programm in Nordvietnam verglichen. In einem Leserbrief schrieb er gegen den Putinismus in Wetzikon an, um gehört zu werden. Und jetzt hat Max Homberger seinen eigenen Wald angepflanzt: ohne Bewilligung.
Die Baudirektion des Kantons, ein ETH-Professor, der Präsident von Pro Natura Zürich – sie alle sagen, sie hätten noch nie gehört, dass jemand einen Wald auf seinem privaten Land anpflanze. Und Homberger, der Mann der krassen Vergleiche, geht natürlich noch weiter: «So eine Übung gab es zuletzt unter Napoleon.»
Auf dem Feld am Westrand von Wetzikon läuft der 72-Jährige um seine Jungbäume, bleibt stehen und spielt mit seinem Schnurrbart. Noch sieht der zukünftige Wald so aus, als habe ein Kind aus Spass kleine Äste in die Wiese gerammt. «Schwachi Rüetli», sagt Homberger.
Doch in 50 Jahren werden die Trauereichen, Douglasien und Schwarzerlen auf Hombergers Hektare einen dichten und isolierten Wald inmitten von Wiesen bilden – und eine Art juristisches Schutzschild sein. Denn wenn ein Grundstück als Wald gilt, geniesst es den grösstmöglichen Schutz: Rodungsverbot, kein Dünger, keine Baubewilligungen. Dafür muss allerdings der Kanton Hombergers Bäume zuerst noch als Wald anerkennen. Und Homberger hat niemanden gefragt.
Er ist kein Förster
Seinen eigenen Wald anbauen. Das erinnert an ein Strategie-Brettspiel und hört sich nach Utopie an. Doch wenn Homberger erzählt, wie er es gemacht hat, dann wird es realistisch: eine Fahrt zur Baumschule und drei strenge Arbeitstage. Sein Einkaufszettel trägt den Titel «Pflanzenliste Homberger». 936 Bäume und Sträucher für 5265 Franken und 25 Rappen. 19 unterschiedliche Arten. Sein Bauplan ist eine Skizze mit verschiedenen Baumgruppen. Da die 30 Nussbäume, dort die 65 Traubeneichen, dazwischen die 100 Birken.
Homberger war Automechaniker, Jurist, Politiker. Förster war er nie. Woher will einer wie er wissen, wie man einen Wald baut? Er sei Abonnent der Zeitschrift «Züri Wald», sagt Homberger. Er lese die Berichte der Forschungsanstalt WSL anstelle von Belletristik. Und er wisse, wie man eine Wurzel in den Boden steckt.
Um die Bäume einzupflanzen, hat sich Homberger dann trotzdem Hilfe geholt. Förster Stefan Sulzberger und drei weitere Mitarbeiter des lokalen Reviers haben ihn unterstützt. «Ich habe Homberger mehrmals gefragt: Wollen Sie das wirklich?», sagt Sulzberger. Denn normalerweise fragen ihn Grundbesitzer eher, ob sie die Bäume roden dürfen. Ein Wald bringt weniger Geld ein. Ein Wald sei eine Art Rückschritt. Aber Homberger war nicht umzustimmen. Und Sulzberger liess sich anstecken. Ihm schwebt ein Waldkindergarten oder eine Begegnungszone vor. «Für mich als Förster kann es gar nicht genug Wald geben», sagt er. Hasen, Füchse und Vögel könnten hoffentlich schon bald durch das Unterholz streifen.
Die Bäume hat Homberger so gewählt, dass sie trotz Klimawandel gut gedeihen können und auch Dürreperioden aushalten. Um knapp 5 Millionen Hektaren nimmt die Waldfläche auf der Welt jedes Jahr ab. Einen Hektar gibt Homberger der Erde jetzt zurück. «Alle schwafeln. Und ich sage: Ich mach das jetzt einfach.»
Ein konservativer Grüner
Durch Wetzikon fährt Homberger mit seinem grünen Landrover Defender, seinem «Landy». «Eine Dreckschleuder», sagt er. Nicht der einzige Widerspruch. Ein Sticker gegen die zweite Gotthardröhre klebt neben einem des Armee-Vereins Centurion. «Ich sage und mache auch Dinge, die unpopulär sind», sagt Homberger, der grüne Politiker und Generalstabs-Oberst mit 1650 Dienstagen. Der Begriff Querdenker sei ihm sympathisch.
Im Kantonsrat hat Homberger zehn Jahre lang gegen Strassen und Flugplätze gekämpft und dafür, dass die Natur erhalten bleibt. Er sei konservativ, sagt Homberger. In der Schweiz hat es ihm zu viele Leute. Wenn die SVP der Umwelt schauen würde, wäre er vielleicht auch dort gelandet. Political Correctness findet er idiotisch. Im Rat habe er aus Prinzip immer wieder Vergleiche mit den Nazis und dem Kommunismus gezogen. «Wenn ich sprach, gingen die Ohren rauf», sagt er. Der SVP-Ratskollege Hans-Heinrich Heusser beschrieb ihn einst als Selbstdarsteller, der theatralische Auftritte liebt. Seit zwei Jahren ist Homberger nicht mehr im Kantonsrat. «Ich hatte keinen Bock mehr», sagt er.
Kritik vom ETH-Professor
Simon Meyer, der Co-Präsident der Grünen im Kanton Zürich, hat Max Homberger beim Pflanzen der Bäume unterstützt. Der Klimawandel sei ein schwer fassbares Thema, sagt Meyer. Viele Massnahmen greifen spät und seien politische Prozesse. «Da hat es wahnsinnig gutgetan, diese jungen Bäume anzupflanzen und damit Wald für die künftige Generation zu schaffen.» Doch ist dass auch wirklich sinnvoll?
«Für das Klima sicher», sagt Harald Bugmann, Professor für Waldökologie an der ETH. Ein Wald speichert mehr CO2 als eine Wiese und reduziert so den Treibhauseffekt. Doch eine Hektare neuer Wald sei für das Klima in der Schweiz vernachlässigbar, sagt Bugmann. Erst wenn es 1000 oder 10’000 Personen Homberger gleichtun würden, hätte das einen wirklichen Effekt. «Ich mag Bäume», sagt Bugmann. Aber überall Wald anzupflanzen, sei auch nicht gut. Als Bürger und nicht als Wissenschaftler würde er sagen: «Die Schweiz hat genug Wald.» Viel wichtiger als in der Schweiz neue Bäume anzupflanzen, sei es, zu schauen, dass nicht noch mehr Landwirtschaftsland zu Siedlungsfläche werde. «Sonst werden wir noch abhängiger von den Lebensmitteln aus dem Ausland.»
Spannend findet der ETH-Professor die Pflanzenliste von Max Homberger. Das Waldbild in der Schweiz werde sich in den nächsten Jahren wegen des wärmeren Klimas stark verändern. «Dieser Wald in Wetzikon mit den klimaresistenten Bäumen könnte ein Lehrbuchbeispiel sein», sagt Bugmann.
Churchill als Vorbild
Für seinen Wald wollte Homberger zuerst mit dem Kanton Zürich und dem Verein Pro Natura zusammenspannen. Beide haben abgesagt. Der Kanton sah keinen Grund, im Oberland aufzuforsten. Und Pro Natura hätte eine Naturwiese favorisiert. Das bringe für die Insekten und die Ökologie mehr, sagt Präsident Gerhard Fischer. Nach zwei Jahren hätte sie schon einen Beitrag zur Biodiversität geleistet, während ein Wald dafür ewig brauche. «Es ist eine typische Max-Aktion», sagt Fischer, der mit Homberger im Kantonsrat sass. «Er will ein Zeichen setzen.» Homberger sei ein mutiger Mann. Und manchmal auch ein Hitzkopf, der die Tendenz hat, sich in etwas hineinzusteigern.
Zu dieser Beschreibung passt auch Hombergers politisches Vorbild: Winston Churchill. «Ruppig und widerwärtig war er», sagt Homberger, «aber genau die Figur, die England zu dieser Zeit brauchte.» Er erzählt das in seinem Haus an einem grossen Holztisch, auf dem ein Magazin über Motorsägen neben Zahnstochern und Kriegs-Sachbüchern liegt. Momentan könne er nur warten, sagt Homberger. Immer wieder reitet er mit seinem Pferd Luna an seinen Jungbäumen vorbei. Im Sommer wird er das Gras niedertrampeln, damit es die Äste nicht überlagert. Und wenn einer seiner Bäume stirbt, weil Mäuse die Wurzeln abfressen, wird er ihn ersetzen.
Was ihm in nächster Zeit jedoch mehr kümmern wird, spielt sich abseits des Feldes ab. «Es laufen momentan Abklärungen zu einer Bewilligungspflicht», sagte Wolfgang Bollack, Sprecher der Baudirektion, dem «Zürcher Oberländer».
Im Cheminée von Max Homberger knistert das Feuer. Die wichtigen Passagen aus dem Bundesgesetz über den Wald hat sich Homberger ausgedruckt und mit Leuchtstift markiert: als Verteidigung. «Falls meine Bäume nicht als Wald klassifiziert werden, gehen ich rechtlich dagegen vor», sagt der 72-Jährige. Es ist diese Militanz, die er auch an Greta Thunberg und an der Klimastreik-Bewegung bewundert.